PERIPHERIE

Institut für praxisorientierte Genderforschung

 

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Sanft Mobil per interaktiver Gender-Wanderkarte

Weg 3: Verkehrsentwicklung & Planung

 

Die Entwicklung der Mobilität in den letzten Jahrzehnten ist ein wesentliches Merkmal moderner Industriegesellschaften. Im Mittelpunkt dabei stehen das Auto und die Motorisierung des Verkehrs. Die Verkehrspolitik und –planung  wurde dementsprechend ausgerichtet. Der Anstieg des Pkw-Bestandes war kontinuierlich. Diese Entwicklung ist mit Veränderungen im gesellschaftlichen Leben einhergegangen. Waren früher Arbeitsplatz, Wohnort, Einkaufen und Freizeitbeschäftigung durch kurze Wege miteinander verbunden, werden heute immer längere Strecken zurückgelegt. Dadurch wurde die Nutzung des Autos forciert und notwendig. Lange Zeit wurde von einem einseitigen Mobilitätskonzept ausgegangen: Im Mittelpunkt stand der erwerbstätige Mann, der zwischen Arbeitsplatz und Wohnort pendelt. Der öffentliche Verkehr stellt hier nur ein Ausweichsystem für den motorisierten Individualverkehr dar und die Nutzung außerhalb der Stoßzeiten und am Wochenende war nur eingeschränkt möglich. Das Hauptaugenmerk wurde zudem auf eine direkte und schnelle Erreichbarkeit von Zentren gelegt, während Querverbindungen und ortbezogene Mobilitätskonzepte wenig Berücksichtigung fanden.1

Die Folgen der Fokussierung auf den motorisierten Individualverkehr sind neben Umweltbelastungen auch die Benachteiligung jener BürgerInnen, die kein Auto besitzen und Orte oft nur schwer und mit erheblichem Aufwand erreichen können.

 

 

Entwicklung der Nahversorgung

In Österreich gibt es mittlerweile in jeder vierten Gemeinde keine Nahversorgung mehr, die zu Fuß erreicht werden kann. Diese Zahl hat sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt. In der Steiermark ist die Zahl der Gemeinden ohne Nahversorger mit 40% sogar am höchsten.2 Da immer mehr Menschen aus ländlichen Regionen in die Städte ziehen und kleine Geschäfte mit Supermarktketten nicht konkurrieren können, fehlt den Betrieben die Kaufkraft zum Überleben. Die Tatsache, dass Einkäufe zunehmend mit dem Auto erledigt werden und dafür größere Entfernungen in Kauf genommen werden, verstärkt diese Tendenz. In einer Studie zur Nahversorgung im ländlichen Raum wurde daher untersucht, was passieren muss, damit kleine Geschäfte im Wohnort für die KundInnen wieder attraktiv werden. Frauen sind besonders stark vom Wegfall der Nahversorgung betroffen. Sie verfügen generell weniger häufig über einen Pkw, sind jedoch gleichzeitig nach wie vor hauptverantwortlich für die Versorgungsarbeit.

 

Der Motorisierungsgrad ist in kleinen Gemeinden mit 92% sehr hoch ist. Daher wählen für den Einkauf 75% das Auto, 11% das Fahrrad und lediglich 12% gehen zu Fuß. Während die Hälfte der Befragten nicht mehr als 15 Minuten zu Fuß zum nächstgelegenen Geschäft hätten, werden vor allem Großeinkäufe als Argument für die Nutzung des Pkw genannt. Kritisiert werden in erster Linie die mangelnde Frische der Waren und das eingeschränkte Sortiment kleiner Geschäfte. Um die Nahversorgung dennoch zu beleben und KundInnen zu gewinnen werden vor allem Verbesserungen im Leistungsangebot angeregt: Es können zusätzlich etwa Post- und Putzereidienste angeboten werden. Aber auch bestimmte Aktionen wie Lunchpakete würden wieder mehr Menschen ins Geschäft locken. Zudem können kleine Geschäfte auch als sozialer Treffpunkt fungieren und eine freundliche, persönliche Bedienung einen wichtigen Anreiz darstellen, um wieder öfter beim Nahversorger einzukaufen.3

 

Auch wenn heutzutage der Großteil der Bevölkerung einen Führerschein besitzt und angibt ein Auto zur Verfügung zu haben, sind es nach wie vor mehr Männer als Frauen. In Österreich haben 80% der Frauen und 90% der Männer eine Lenkerberechtigung und 80% der Frauen sowie 87% der Männer haben nach eigenen Angaben jederzeit einen Pkw zur Verfügung.4 Da es statistisch gesehen in jedem Haushalt 1,3 Autos gibt kann davon ausgegangen werden, dass in Familien mit einem Auto dieses in erster Linie von Männern genutzt wird.

Dies zeigt sich beispielsweise in der Statistik der BerufspendlerInnen. In der Oststeiermark sind 80% der Pendler und 65% der Pendlerinnen mit einem eigenen Auto unterwegs, während 33% der Frauen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihrem Arbeitsplatz fahren. Unter den Männern sind es mit 16% gerade einmal halb so viele.5

 

 

Geschlechtersensible Verkehrsplanung

Die Entwicklung des Verkehrs hinsichtlich einer verstärkten Motorisierung mit all seinen Begleiterscheinungen benachteiligt somit vor allem Frauen. Im Jahr 2009 waren gerade einmal 4% der Führungspositionen im Bereich Verkehr, Raumplanung und Straßenbau von Frauen besetzt sind.6 Dies ist insofern wichtig, da Planende sich in erster Linie auf ihre eigenen Lebensrealitäten und Alltagserfahrungen beziehen und ihre Ideen aus dem eigenen Umfeld einbringen. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt wurde benutzen Frauen häufiger Öffentliche Verkehrsmittel, sind eher zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs und legen kürze, aber oft verzweigte Wege zurück. Ihre Bedürfnisse hinsichtlich der Verkehrsplanung sind daher andere als jene eines männlichen Autofahrers.

Eine geschlechtsbewusste Verkehrsplanung bedeutet daher die Wünsche von FußgängerInnen, FahrradfahrerInnen und NutzerInnen öffentlicher Verkehrsmittel zu erheben und zu berücksichtigen.

Hausfrauen und Hausmänner legen neben Kinder und SeniorInnen den Großteil der Fußwege zurück. Sie legen besonderen Wert auf eine erhöhte Verkehrssicherheit und Barrierefreiheit. Da sie zudem öfters mit dem Kinderwagen und kleinen Kindern an der Hand unterwegs sind, benötigen sie mehr Platz und wünschen sich breitere Wege bzw. Gehsteige.

Kinderwagenrampen und die Entfernung von Stufen im Gehsteigbereich, Druckknopfampeln in der Nähe von Schulen, gute Beleuchtung und einsehbare Straßenführung stellen weitere Erleichterungen für FußgängerInnen dar.

Eine Verkehrsplanung, die zudem auf die Mobilitätsbedürfnisse von Kindern eingeht, schafft auch Entlastung für die Eltern. Wenn die Gefahren für Kinder und Jugendliche im Verkehr reduziert werden führt das zu mehr Selbstständigkeit. Die SchülerInnen gewinnen an Unabhängigkeit und die Eltern müssen nicht laufend Bring- und Holdienste mit dem Auto verrichten.7

Die Anzahl der FahrradfahrerInnen hat in den letzten Jahren stark zugenommen und dazu geführt, dass Radwege vor allem in den Städten ausgebaut wurden. Es können jedoch noch weitere Maßnahmen getroffen werden, die dem Fahrradverkehr zugute kommen. Um die Sicherheit der FahrradfahrerInnen zu erhöhen, können beispielsweise Radwege entlang von Freilandstraßen errichtet werden und mehr Tempo 30 Zonen im Ortsgebiet eingeführt werden.8

 

 

Resümee

Die Unterschiede im Mobilitätsverhalten müssen auch in der Planung des Verkehrs Berücksichtung finden. Es ist nach wie vor so, dass die EntscheidungsträgerInnen auf diesem Gebiet in der Steiermark sowie in ganz Österreich vorwiegend Männer sind. Um die Bedürfnisse der weiblichen Bevölkerung, aber auch von Kindern und Jugendlichen, gerecht zu werden muss verstärkt auch auf die Qualität des Radwegenetzes und der Fußwege geachtet werden. Besonders wichtig ist zudem der Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Wertschätzung der sanften Mobilität können Investitionen in diesem Bereich der gesamten Bevölkerung zugute kommen und auch Männer dazu bewegen auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umzusteigen.

 

 

1 Vgl. Bauhardt, C.: Gender Mainstreaming in der Verkehrspolitik – Anstöße aus der feministischen Verkehrsforschung in: Friedrich Ebert Stiftung (Hg.): Gleiche Mobilitätschancen für alle! Gender Mainstreaming im Öffentlichen Personennahverkehr, Berlin 2006, S.9ff

2 Vgl. VCÖ: Presseaussendung vom 16.9.2011unter: http://www.vcoe.at/de/presse/aussendungen-archiv/details/items/vcoe-jede-vierte-gemeinde-in-oesterreich-hat-keinen-nahversorger

3 Vgl. Ausserer, K. und Röhsner, U. (u.a.): Nahmobil - Nahversorgung und Mobilität: Innovative Nahversorgungskonzepte im ländlichen Raum aus Genderperspektive, Wien 2011

4 Vgl. Knoll, B. (u.a.): Gender Mainstreaming und Mobilität in Niederösterreich, Wien 2005, S.20f

5 Vgl. AK Stmk (Hg.): Pendlerbefragung Korridor Feldbach, Fürstenfeld, Hartberg und Weiz nach Graz/ Graz-Umgebung, Endbericht, 2008, S.21ff.

6 Vgl. VCÖ Magazin, Ausgabe 2009-1, S.5

7 Vgl. Stadt Wien – Magistratsdirektion (Hg.): Geschlechtsspezifische Verkehrsplanung http://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/alltagundfrauen/verkehr.html

8 Vgl. VCÖ Factsheet, Ausgabe 2010-4