PERIPHERIE

Institut für praxisorientierte Genderforschung

 

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Weg 4: Die Mobilität der Zukunft

 

Die letzten Jahrzehnte waren von einer verstärkten Motorisierung des Verkehrs geprägt. Statistiken und Untersuchungen zeigen, dass Männer vor allem mit dem Auto fahren, während Frauen verschiedene Verkehrsmittel nutzen und häufiger umweltbewusst unterwegs sind. Sie gehen öfter zu Fuß, fahren mit dem Fahrrad und machen einen Großteil der KundInnen der Öffentlichen Verkehrsmittel aus.

Veränderte Bedürfnisse aufgrund wandelnder gesellschaftlicher Strukturen, erhöhte Belastung der Gesundheit durch Lärm und Abgase sowie ein zunehmendes Verkehrsaufkommen bedeuten nicht nur, dass neue innovative Mobilitätslösungen notwendig sind, sondern auch unser Mobilitätsverhalten Änderungen unterzogen wird. Gerade die junge Generation sieht sich mit vielen neuen Herausforderungen und Entwicklungen konfrontiert, die unser tägliches Leben beeinflussen und Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten haben.

 

 

Neue Trends im Mobilitätsverhalten

Das Mobilitätsverhalten jedes Einzelnen ist abhängig von einer Vielzahl von kurzfristigen, aber auch langfristigen Entscheidungen. Der Erwerb des Führerscheins und der Kauf eines Autos beeinflussen unser Mobilitätsverhalten genauso wie die Wahl des Wohnortes. Die nach wie vor steigende Zahl von Pkws lässt zunächst vermuten, dass trotz Umweltbelastung und eines vielerorts drohenden Verkehrsinfarkts kein Umdenken im Mobilitätsverhalten stattfindet. Bei differenzierter Betrachtung können jedoch gerade bei jungen Erwachsenen Veränderungen festgestellt werden, wie eine internationale Studie gezeigt hat.1 Gesellschaftliche Entwicklungen wirken sich auf das Mobilitätsverhalten aus. Die Zunahme von StudentInnen, Einpersonenhaushalte, GeringverdienerInnen und eine wachsende urbane Bevölkerung führten in den letzen Jahren dazu, dass etwa in Deutschland in der Altergruppe der 18 bis 34-jährigen die Verfügbarkeit eines Pkws zurückging. Lebten 1998 noch jede/r zehnte in einem Haushalt ohne Auto, waren es 2008 bereits jede/r fünfte. In den USA und in Japan hat sich darüber hinaus nicht nur die Zahl der Pkw-NutzerInnen reduziert, hier ist auch ein deutlicher Rückgang der FührerscheinbesitzerInnen festzustellen. Heutzutage steht ein Mix aus unterschiedlichen Verkehrsmitteln im Vordergrund. Besonders junge Männer haben ihr Verhalten geändert und nutzen häufiger andere Verkehrsmittel. Während die Pkw-Verkehrsleistung bei Frauen stagnierte, ging er unter jungen Männern deutlich zurück. In Deutschland und USA ist der Unterschied der Geschlechter in der Altersgruppe der 20 bis 29-jährigen fast verschwunden. Der Pkw-Besitz hat sich in Deutschland vor allem bei Einpersonenhaushalten mit einem Einkommen unter 1000,- Euro, und hier wiederum gerade bei Männern, reduziert. Während 1998 noch fast 50% der Männer ein Auto hatten, waren es 2008 etwa 25%. Bei den Frauen ist der Rückgang wesentlich geringer ausgefallen. Hier waren es 1998 noch knapp 30% und 2008, gleich wie bei der männlichen Bevölkerung, 25%.2 Das bedeutet, dass neben der niedrigen Erwerbstätigkeit und dem damit einhergehenden geringeren Einkommen auch andere Faktoren dafür verantwortlich sind. In den Städten wurde in den letzten Jahren dem Öffentlichen Verkehr mehr Aufmerksamkeit geschenkt, Parkmöglichkeiten wurden reduziert bzw. kostenpflichtig und in einigen Städten eine Maut eingeführt. Zudem kam es zu einem Ausbau von Fahrradwegen. Die Zunahme und Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien haben ebenfall Auswirkung auf die Mobilität. Da gerade junge Menschen diese nutzen und vieles mittlerweile via Internet und Mobiltelefon erledigen, beeinflusst dies ihre Mobilität zusätzlich.

 

Veränderten Sichtweisen und Einstellungen gerade der jungen Generation zeigen sich auch beim Autokauf. Während für Frauen das Kriterium der Familienfreundlichkeit seit Jahren eine wichtige Entscheidungsgrundlage für den Kauf eines Pkws darstellt, gewinnt dies bei Männern in den letzten Jahren auch mehr an Bedeutung. Während früher Prestige und Image im Vordergrund standen, ist den Männern heute das Thema Familienfreundlichkeit gleich wichtig wie der weiblichen Bevölkerung.3

 

 

Elektromobilität

In den letzten Jahren wurde verstärkt in die Entwicklung neuer Technologien investiert, um umweltschonende Alternativen zum Benzin- bzw. Dieselbetriebenen Fahrzeug anzubieten. Im Jahr 1997 wurde das erste Hybridauto präsentiert und während der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006 kamen mit Wasserstoff betriebene Autobusse zum Einsatz.4 Auch wenn diese neuen Technologien noch nicht ausgereift sind bzw. Schwachstellen aufweisen, ist die Zustimmung in der Bevölkerung bezüglich der Anschaffung derartiger Fahrzeuge durchaus gegeben, wie eine in Wien durchgeführte Studie zum Thema Elektromobilität bestätigt.5 Demnach stehen 52% der Befragten einem Kauf eines Elektroautos positiv gegenüber, wobei vor allem junge Männer einem Kauf nicht abgeneigt sind. Das Elektrofahrrad findet hingegen nicht so großen Zuspruch. Hier geben nur rund 14% an, dass sie sich ein Fahrrad mit Elektromotor zulegen würden. Besonderes Interesse zeigen vor allem ältere Personen – Männer wie Frauen – in der Altersgruppe der 51 bis 65-jährigen. Die Kombination aus Fitness und Bequemlichkeit spielt dabei eine große Rolle. Junge Menschen lehnen Elektrofahrräder sogar besonders stark ab (82%), wobei Männer hier in der Mehrheit sind. Sie verbinden das Fahrradfahren mit körperlicher Bewegung und sehen daher keinen besonderen Nutzen.

 

Das wichtigste Entscheidungskriterium beim Kauf eines Autos stellt die Sicherheit dar, gefolgt von Bequemlichkeit und Komfort. Finanzielle Faktoren spielen vor allem bei Frauen eine große Rolle. Sie wünschen sich Sparsamkeit im Betrieb, günstige Erhaltungs- und niedrige Anschaffungskosten. Die berufliche Notwendigkeit, das Design und die Geschwindigkeit sind eher untergeordnete Eigenschaften, wobei diese für Männer insgesamt wichtiger sind, als für Frauen. Für Männer spielt außerdem die Reichweite und Leistung der Batterie eine wichtige Rolle. Wie im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Wegestrukturen von Frauen und Männern bereits erwähnt wurde, legen Männer durchschnittlich – oft beruflich bedingt – längere Strecken zurück und sehen in einer geringen Batterieleistung einen Nachteil von Elektrofahrzeugen.6

 

Frauen legen kürzere, verzweigte Wege zurück, sind öfters mit Kindern unterwegs und erledigen häufiger den Einkauf als Männer. Daher kann das Elektrofahrrad in Zukunft gerade für Frauen ein attraktives Fortbewegungsmittel sein. Immerhin fast 80% der Frauen, die im Rahmen des Projekts fem.el.bike befragt worden sind, können sich vorstellen Elektrofahrräder für Einkaufs- und Besorgungswege zu nutzen. Am Land hat es zudem den Vorteil, dass Steigungen problemlos bewältigt werden können. Der oben genannte Einwand einer schwachen Akkuleistung kann so nicht bestätigt werden. Im Durchschnitt kann mit einer Akkuladung zwischen 40 und 80 Kilometer zurückgelegt werden. Auch die laufenden Kosten sind gering. Eine Akkuladung kostet ca. 0,08 Cent, für den Treibstoff eines Autos würde man für die gleiche Reichweite etwa 10,50 Euro bezahlen. Der Unterschied ist somit enorm, wodurch auch die zunächst vielleicht abschreckend hohen Anschaffungskosten eines Elektrofahrrads sich am Ende doch rentieren können.7

 

 

Resümee

Um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu können sind neue, innovative und umweltverträgliche Lösungen notwendig. Es muss sich aber auch unser Mobilitätsverhalten ändern. Bei den vorhergehenden Kapiteln/ Wegen wurde festgestellt, dass Frauen umweltfreundlichere Fortbewegungsarten nutzen als Männer. Aber sie machen dies nicht immer freiwillig. Aufgrund der Notwendigkeit Kosten zu sparen oder weil sie kein Auto zur Verfügung haben, sind Frauen häufiger umweltbewusst unterwegs. Es geht daher beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs nicht nur darum die Männer davon zu überzeugen häufiger mit Bus und Bahn zu fahren. Es müssen auch die Bedürfnisse der weiblichen Bevölkerung – als HauptnutzerInnengruppe - weiterhin im Mittelpunkt stehen.

Bei der Betrachtung der Elektromobilität zeigen sich die unterschiedlichen Wünsche und Bedürfnisse verschiedener Bevölkerungsgruppen. Während die ältere Generation das Elektrofahrrad sehr schätzt, können sich nur wenige junge Menschen dafür begeistern. Eine Zielgruppengerechte Ausrichtung ist hier von besonderer Bedeutung. Zudem gibt es in gewissen Bereichen eine Voreingenommenheit (etwa bei der Leistung und Haltbarkeit der Akkus), die vor allem Männer davon abschrecken Elektrofahrzeuge zu nutzen.

 

 

1 Vgl. Institut für Mobilitätsforschung (Hg.): Mobilität junger Menschen im Wandel – multimodaler und weiblicher, München 2011

2 Vgl. Institut für Mobilitätsforschung (Hg.): Mobilität junger Menschen im Wandel – multimodaler und weiblicher, München 2011, S.20

3 Vgl. Arthur D Little (Hg.): Zukunft der Mobilität 2020 – Die Automobilindustrie im Umbruch, 2009, S.23

4 Vgl. Wiener Linien (Hg.): Mobilität – Herausforderung im neuen Jahrtausend

5 Vgl. Bittner, M. und Tschipan, C.: Befragung Elektromobilität – Elektrofahrzeuge in Wien: Einstellungen und Nutzungspotenziale (unter besonderer Berücksichtigung des Elektrofahrrads), Wien 2009

6 Vgl. Bittner, M. und Tschipan, C.: Befragung Elektromobilität – Elektrofahrzeuge in Wien: Einstellungen und Nutzungspotenziale (unter besonderer Berücksichtigung des Elektrofahrrads), Wien 2009, S.29

7 Vgl. Factum, Research & Data Competence, Forschungsgesellschaft Mobilität – FGM (Hg.): Das Elektrofahrrad – eine neue Chance für Sie, Wien 2011